Flecken Ottersberg, Kreis Verden, Niedersachsen
Der Amtshof in Ottersberg
Der Amtshof Ottersberg gehört zu den historischen Sehenswürdigkeiten im Landkreis Verden. Das schlossähnliche Gelände wurde ab 1585 auf den Resten einer früheren Burg errichtet. Reste des Wall- und Burggrabens sind noch erkennbar. Das Gebäude wurde umfassend restauriert und beherbergt seit 1946 die Freie Rudolf-Steiner-Schule. Das Gelände ist in Privatbesitz, ein Besuch nur nach vorheriger Anmeldung möglich.
Adresse: Amtshof, 28870 Ottersberg
Der Flecken Ottersberg kann eine fast tausendjährige Geschichte vorweisen, in der Ort und Burg mehrfach zerstört und wieder aufgebaut wurden. Vermutlich wurde der Amtshof auf den Resten der Burg Ottersberg errichtet, wofür auch die geografisch günstige Lage zwischen dem Nord- und Südarm der Wümme spricht. Der Begriff „Amtshof“ geht auf die Zeit der schwedischen Verwaltung der damaligen Bistümer Bremen und Verden von 1648 bis 1859 zurück. Der Amtmann hatte hier seinen Sitz. Der Amtshof ist ein zweigeschossiger Backsteinbau im Renaissancestil. Die unregelmäßige Zweiflügelanlage mit Treppenturm im Winkel hat vier unterschiedlich gestalteten Sandsteinportale. Diese Renaissance-Portale tragen die Jahreszahl 1619. Das Hauptgebäude wurde 1585 erbaut.
Über dem Eingangsportal ist das Wappen von Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf (1579-1634) zu sehen. Er war ab 1596 Erzbischof von Bremen, ab 1607 Fürstbischof von Lübeck und ab 1631 auch Bischof von Verden. Das Wappen von Johann Friedrich ist auch über dem Portal des 1620 in seinem Auftrag erbauten Schlosses Erbhof in Thedinghausen zu sehen.
Das Wappen wird im Folgenden mit Farben beschrieben, wie in der Literatur angegeben. Der Schild:
- Feld 1: Königreich Norwegen, in Rot ein goldener Löwe mit einer gekrümmten Hellebarde in den Pranken.
- Feld 2: Erzbistum Bremen, in Rot zwei schräggekreuzte goldene Schlüssel.
- Feld 3: Herzogtum Schleswig, in Gold zwei golden-gekrönte hersehende blaue Löwen übereinander.
- Feld 4: Herzogtum Holstein, in Rot ein silbernes Nesselblatt.
- Feld 5: Bistum Lübeck: in Blau ein schwebendes goldenes Kreuz.
- Feld 6: Herrschaft Stormarn, in Rot ein silberner Schwan mit einer goldenen Krone am Halse.
- Feld 7: Land Dithmarschen, in Rot ein geharnischter goldener Reiter mit Schwert auf silbernem Pferde.
- Feld 8 geviert, in 1 und 4: Grafschaft Oldenburg, in Gold zwei rote Balken; in 2 und 3: Herrschaft Delmenhorst, in Rot (eigentlich Blau) ein schwebendes goldenes Kreuz.
Die Helme von optisch links nach rechts: I. Helmzier von Schleswig: drei Pfauenbüsche an goldenen Stäben; II. Helmzier von Norwegen: ein goldener Löwe mit einer gekrümmten Hellebarde in den Pranken; III. Helmzier von Holstein: sieben rote Fähnlein an goldenen Lanzen, deren Fahnentücher mit dem Nesselblatt belegt sind.
VON GOTTES GNADEN IOHAN FRIEDRICH ERWOLTER UND POSTULIRTER ZU ERTZ UND BISCHOFFE DER STIFTER BREMEN UND LUBECK ERBE VON NORWEGE HERZOCH ZU SCHLESWIG HOLSTEIN STORMARN UND DER DITMARSCHE GRAFF ZU OLDENBURG UND DELMENHORST
Lebenslauf von Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf
Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf wurde am 1. September 1579 auf Schloss Gottorf bei Schleswig geboren und ist am 3. September 1634 im Altkloster in Buxtehude gestorben. Er war bis zu seinem Tod Erzbischof von Bremen, Fürstbischof von Lübeck und Bischof von Verden.
Seine Eltern waren Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf (1526-1586) und Christine von Hessen (1543-1604). Johann Friedrich war ein Bruder von Herzog Johann Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf (1575-1616) und ein Groß-Neffe des späteren Königs von Dänemark, Friedrich III. (1609-1670).
Das Erzbistum Bremen bestand auch nach der Reformation weiter, jedoch war der Erzbischof jetzt evangelisch. Da das Bremer Domkapitel auch weiterhin auf die Ehelosigkeit ihres evangelischen Kirchenfürsten bestand, der legitime Erbe des Amtes Herzog Johann Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf jedoch mit der Schwester des dänischen Königs verheiratet war, kam sein jüngeren Bruder Johann Friedrich zu diesem Amt, der bereits seit 1593 Domherr in Bremen war. Er wurde am 22. Oktober 1596 im Kloster Harsefeld durch das Bremer Domkapitel gewählt, nachdem es über diese Wahl zu der Streit zwischen dem Domkapitel und den übrigen Ständen der Stadt kam. Der Streit wurde im Stader Vergleich vom 6. Januar 1597 beigelegt und führte zu einer stärkeren Beteiligung aller Stände am Stiftsregiment. Damit verbunden wurde Johann Friedrich auch weltlicher Herrscher aller Besitzungen des Erzstiftes. Er verfügt sodann über jährlich einhunderttausend Taler, was ca. einer Tonne Gold entsprach. 1594 wurde auch Johann Friedrich Koadjutor seines Bruders im Bistum Lübeck und folgte diesem 1607 auch als Bischof von Lübeck. 1631 erfolgte seine Einsetzung als Bischof von Verden.
Seit 1600 war er mit der Gräfin Anna Sophia von Oldenburg verlobt, die Ehe wurde jedoch nicht geschlossen, wohl auch aus den zuvor genannten Gründen. Hierüber kam es zum Streit zwischen den Gottorfern und den Oldenburgern vor dem Reichskammergericht, welches ab 1527 bis 1689 seinen Sitz in Speyer hatte. Anna Sophie blieb unvermählt und starb am 11. Juni 1639.
Johann Friedrich unterhielt nachweislich mehrere illegitime Verbindungen. So u.a. mit Gertrud von Hermeling-Heimbruch, der Witwe von Heinrich Corlehake Hermeling, von dem Johann Friedrich 1613 den bis dahin lehnsfreien Erbhof in Thedinghausen im Gegenzug für die Ernennung zum Drosten der Ämter Thedinghausen und Langwedel, erwarb. Der Erzbischof ließ dort für seine Geliebte ein Herrenhaus als standesgemäßen Wohnsitz bauen, jedoch verstarb Gertrud noch während der Bauarbeiten am 16. März 1620. Der Erbhof wurde daraufhin zu einem repräsentativen erzbischöflichen Landschloss erweitert.
Aus einer weiteren Liebesbeziehung mit der bürgerlichen Anna Dobbel aus Bremervörde hatte Johann Friedrich hatte zwei unehelichen Kinder, Friedrich und Christina, für die er 1621 beim Kaiser Ferdinand II. (1578-1637) in Wien um Legitimation und Nobilitierung ersuchte. Dieser folgte am 30. August 1621 dem Antrag „des jederzeit treuen und gehorsamen Fürsten“ und so wurden die Kinder unter dem Namen von Holstein in den Adelsstand erhoben. Anna Dobbel liegt im Bremer St. Petri Dom begraben. Ihr schenkte Johann Friedrich den in seinem Namen erbauten Erbhof in Thedinghausen. Beide Kinder erbten das Anwesen. Über Friedrich von Holstein sind kaum weitere Hinweise zu finden. Er war von 1627 an Domherr im Domstift Lübeck und verstarb bereit 1635. Christina von Holstein heiratete Gottlieb von Hagen (1595-1658) aus dem gleichnamigen mecklenburgischen Adelsgeschlecht auf Hanshagen bei Grevesmühlen, einem bischöflichen Rat und Amtmann und später auch Lübecker Domherr. Über seine Frau kam Gottlieb von Hagen nach dem Tod seines Schwagers in den Besitz des Schlosses Erbhof in Thedinghausen.
In die Regierungszeit Johann Friedrichs fällt der Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Dessen Auswirkungen waren für die Region und sein Herrschaftsgebiet sehr verheerend.
Johann Friedrich war ein guter Verwalter, er baute die Behördenorganisation aus und organisierte die Finanzverwaltung neu. Auch nahm er Einfluss auf die Hexenprozesse und drängte diese zurück („Edikt in Zaubereisachen“ von 1603). Durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen stand er außenpolitisch Dänemark sehr nahe. 1621 ernannte er seinen Großneffen Friedrich, den späteren König von Norwegen und Dänemark, zum Koadjutor in Bremen. 1625 trat er als Bündnispartner Christians IV. von Norwegen und Dänemark (1577-1648) auf dem Fürstentag zu Lauenburg auf. Als der König jedoch das Erzstift besetzte, floh er ins Bistum Lübeck und stellte sich auf die kaiserliche Seite. Nach der Besetzung des Stiftes durch die kaiserlichen Truppen unter Graf Johann T’Serclaes von Tilly (1559-1632) wurde dort die katholische Restitution betrieben und Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich (1614-1662) als neuer Erzbischof vorgesehen. Infolgedessen blieb es Johann Friedrich nur übrig 1631 ein schwedisches Bündnisangebot anzunehmen. Die Schweden eroberten ein Jahr später das Territorium des Erzstiftes Bremen.
Auf der Rückkehr von einem Kuraufenthalt in Schwalbach starb Johann Friedrich 1634 im Altkloster in Buxtehude. Durch die Kriegsereignisse blieb sein Leichnam noch fast ein Jahr lang im Altkloster, bevor er dann in Gottorf feierlich beigesetzt werden konnte.
Kurze Chronik des Amts Ottersberg
Für Ottersberg wird erstmalig um 1180 eine Burg erwähnt. Nach verschiedenen Besitzern kam diese um 1207/10 an Bernhard von Wölpe, wurde aber bereits 1221 von Erzbischof Gerhard II. von Lippe (1190-1258) erobert. Seitdem gehören Burg und Herrschaft Ottersberg zum weltlichen Territorium des Erzstifts. Nach mehrfacher Zerstörung wurde die Burg nach 1235 zunächst nicht wieder aufgebaut. Stattdessen errichtet das Erzbistum Bremen an gleicher Stelle um 1305 eine neue Burg. 1562 wurden deren Wallanlagen unter Erzbischof Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel (1494-1566) verstärkt. Erst unter Erzbischof Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf erfolgte der Umbau der Burganlage im Renaissancestile. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde der Ort mit allen Häusern und der Kirche 1626 von den kaiserlichen Truppen unter Feldherr Tilly niedergebrannt. Die Schweden besetzen 1640 das Schloss und behalten es über dreißig Jahre in ihrem Besitz. Der schwedische General Axel de Lille erhält Schloss und Umland von seinem König zum Geschenk. 1712 wird Ottersberg dänischer Besitz, aber sogleich durch Friedrich IV. von Dänemark und Norwegen (1671-1730) an den Herzog Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (1660-1727) weiterverkauft. Ab 1807 gehört Ottersberg zum Königreich Westfalen, welches von Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte regiert wurde. Nach dessen Auflösung 1814 war Ottersberg bis 1866 Teil des in Folge des Wiener Kongress gegründeten Königreiches Hannover. Nach der Annexion des Königreichs durch Preußen wurde der Amtshof Verwaltungssitz des preußischen Staates und von diesem 1883 an die Familie Clüver verkauft. Die Freie Rudolf-Steiner-Schule pachtet 1946 das Amtshofgelände mit allen Gebäuden. 1963 kauft es die Schule von der Erbengemeinschaft Clüver. 1967/68 folgte die Renovierung des Amtshofes und es wurden weitere Gebäude auf dem Gelände neu errichtet.
Quellen:
- Webseite der Freien Rudolf-Steiner-Schule, www.frss-ottersberg.de/schule/amtshof.php, abgerufen 24. April 2023.
- Webseite der Verwaltung des Flecken Ottersberg, www.flecken-ottersberg.de, abgerufen 24. April 2023.
- Webseite der Verwaltung des Landkreises Verden, www.landkreis-verden.de, abgerufen 24.April 2023.
- J. Siebmachers grosses und allgemeines Wappenbuch: Bisthümer. Hrsg. Gustav Adelbert Seyler, Verlag Bauer & Raspe, Nürnberg, 1881.
- J. Siebmachers grosses und allgemeines Wappenbuch: Die Wappen der Souveraine der deutschen Bundesstaaten. Hrsg. Otto Titan von Hefner, Verlag Bauer & Raspe, Nürnberg, 1856.
- Wikipedia-Artikel „Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf“, abgerufen 24. April 2023.
- Wikipedia-Artikel „Ottersberg“, abgerufen 24. April 2023.
- „Johann Friedrich, Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf“, www.deutsche-biographie.de, abgerufen 25.April 2023.
- „Friedrich II., Herzog von Schleswig-Holstein“, Deutsche Biographie, www.deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd118693484.html, abgerufen 2. Mai 2023.
- Österreichisches Staatsarchiv, AT-OeStA/HHStA RHR Judicialia Antiqua 99-11, www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=3287232, abgerufen 25. April 2023.
- „Der lukrative Titel“, Weser Kurier vom 10. September 2017, www.weser-kurier.de, abgerufen 26. April 2023.
- Prosopographische Studien 2, Das Geistige Personal des Domstifts Lübeck, Bearb. Redaktion der Germania sacra, Die Kirche des alten Reiches und ihre Institutionen, Hrsg. Hedwig Röckelein, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Stand November 2022.
Alle Fotos unterliegen dem Urheberrecht. Text und Foto: Alexander Hoffmann, 2023.